Fronz-Tec – The Spirit of a glory Future

Von Leid, Verlust und Alten Göttern | Teil 1

Dies ist der erste teil einer neuen geschichte.

“Letzte Nacht träumte ich wieder, ich wäre eine Kuh.”, sagte ein verschlafen-aussehender Mann in blau-grün-gestreiften Pyjama. “Schon wieder?”, antwortete der Angestellte an der Kasse des Supermarkts. Er sagte es mehr zu sich, in Verwunderung, dass dieser, vermutlich verrückte, Mann schon wieder an seiner Kasse stand, als dass er dies als Antwort sagen wollte.

Der Mann im Pyjama kam diese Woche schon zum dritten Mal an die Kasse, an der Harvey Walsh gerade Dienst hatte, und es war erst Dienstag.

Harvey wusste den Namen dieses Mannes nicht. Er wusste auch nicht, weshalb dieser Mann jedes Mal an seine Kasse kam. Der Mann kaufte nie etwas. Er kam nur immer an die Kasse, welche von Harvey bedient wurde und erzählte ihm dann, dass er geträumt hätte, dass er eine Kuh wäre. Es gab keinen ersichtlichen Grund, warum er es tat, oder warum er es gerade bei Harvey Walsh tat. Verrückte tun halt seltsame Dinge, dachte sich Harvey immer, wenn er diesen Mann sah.

Dieses Mal war aber etwas anders an dem Mann im Pyjama; Er hielt etwas in seiner rechten Hand. Harvey erkannte das Objekt erst, als der Mann, der auffällig oft davon träumt, dass er eine Kuh wäre, es auf das Band lag. Beim Objekt handelte es sich um das Buch “Die Raben von Falcon Haven”. Es ist eines von fünf Büchern, welche der Supermarkt von Falcon Haven gesetzlich verkaufen darf. Das Gesetz wurde vor vielen Jahren geschaffen, um die Verkäufe des lokalen Buchverlags zu verbessern. Das Gesetz war ein voller Erfolg, denn Jeder in Falcon Haven besass nun dutzende Ausgaben dieser fünf Bücher und die Leute kauften sich regelmässig weitere Ausgaben dieser Bücher. Alle kauften sich die Bücher mit ihren Wocheneinkäufen im einzigen Supermarkt der Stadt, bei dem Harvey angestellt war.

-Alle ausser der Mann in den blau-grün-gestreiften Pyjamas. Noch nie sah ihn Harvey beim Kauf eines Buches. Eigentlich sah Harvey den Mann noch nie beim Kauf von irgendetwas. Daher fragte sich Harvey ein wenig überrascht, aber dennoch versuchend, möglichst professionell zu wirken: “Auf den Bücher-Geschmack gekommen?(!)”

Der Mann antwortete nicht. Dies dachte Harvey jedenfalls. Vielleicht hat der Mann mit einem Nicken geantwortet, aber Harvey nahm es nicht wahr. Vielleicht schüttelte der Mann aber auch mit dem Kopf, um die Frage zu verneinen. Vielleicht sagte der Mann sogar etwas, aber Harvey hat es nicht gehört, oder er hat es gehört und sofort vergessen.

“Gute Wahl. ‘Ist eines der meistverkauftesten Bücher in Falcon Haven. Ihre wievielte Ausgabe ist das?”, versuchte es Harvey erneut. Er wollte von diesem Mann mal etwas anderes hören, als dass dieser geträumt hätte, dass er eine Kuh wäre.

Daraus wurde aber nichts, denn der Mann bezahlte das Buch (vermutlich) wortlos und verliess den Laden.

Harvey schaute noch dem Mann zu, wie dieser hüpfend, und mit den Armen wirbelnd, über die Strasse rannte und irgendwann in der Ferne verschwand. Dieser Mann benötigt Hilfe, dachte sich Harvey, doch wer benötigt keine Hilfe? Sozusagen war dieser Mann also vollkommen normal.

 

“Das ist Ihre letzte Chance!”, schrie eine Frau am Eingang des Supermarkts. Es war Megan. Sie ist eine Arbeitskollegin von Harvey, seit sie beim Supermarkt angefangen hat. Megan arbeitete nicht an der Kasse, sondern im Marketing. Ihr Job bestand darin, von 17:00 Uhr – 18:03 Uhr, Kunden anzuschreien und sie in den Laden zu zerren, sowie den Kunden nachzurennen, die den Supermarkt ohne Einkäufe verlassen hatten.

Hat der Mann im blau-grün-gestreiften Pyjama deshalb ein Buch gekauft?

Seit Megan im Marketing des Supermarkts tätig war, stiegen die Verkaufszahlen gewaltig und die Geschäftsführung nahm viel Geld ein. Da aber ein weiterer Job mit Megan dazu kam, wurden die Gehälter sämtlicher Angestellten, die nicht in der Geschäftsführung tätig waren, gekürzt. Dies war Harvey egal, denn sobald Megan bei der Arbeit ankam, konnte er zuschauen, wie nicht zahlende Kunden von ihr gejagt werden.

Ausserdem musste er dann nur noch eine Stunden arbeiten, bis er dann endlich Feierabend hatte.

Die letzte Stunde verlief unspektakulär. Einige Leute, die zuvor von Megan in den Laden gezerrt wurden, kauften sich Ausgaben von “Vorhersagen einer Person”, “Monolith des Wahnsinns”, oder andere erlaubte Bücher, aus Angst, dass sie sonst von Megan gejagt werden, und die, die freiwillig in den Laden gingen, erledigten ihre geplanten Einkäufe. Es war also ein gewöhnlicher Tag im Alltag von Harvey.

 

Punkt 18:00 Uhr. Eine Durchsage erklang aus den versteckten, sowie den nicht versteckten Lautsprechern des Supermarkts.

“Geschätzte Damen und Herren. Bitte verlassen Sie innerhalb den nächsten drei Minuten den Laden, oder sie bleiben ewig. Diese Durchsage gilt auch für Mitarbeiter.”

In den Tiefen des Ladens erklangen panische Schreie von einigen Kunden, die alles fallen liessen, um so schnell, wie sie konnten, aus den Laden zu stürmen. Harvey tat es ihnen gleich. Er liebte dieses Ritual zum Ladenschluss. Es machte sein Leben spannend.

Dieses Ritual kam mit Megan. Nach Ladenschluss zieht sie sich immer in die dunklen Tiefen des Supermarkts zurück, um nach den Kunden, die es nicht in den drei Minuten geschafft hatten, aus den Laden zu fliehen, zu sehen. Seltsamerweise wurden diese Kunden dann nie wieder gesehen.

Beim Herausrennen wünschte Harvey Megan noch einen angenehmen Abend, ohne in ihre rot glühenden Augen zu schauen. Nicht weil er nicht in ihre rot glühenden Augen sehen wollte, sondern weil er nicht in ihre rot glühenden Augen sehen sollte. Niemand sollte in Megans rot glühenden Augen schauen. Zwar wusste niemand ganz, warum genau, aber niemand wollte die kursierenden Gerüchte zu ihren Augen in Frage stellen. Daher wusste auch niemand, ob ihre Augen wirklich rotglühend waren.

 

Als Harvey Zuhause angekommen war, nahm er eine Tiefkühlpizza und warf diese in die Mikrowelle. Es war eine schreckliche Angewohnheit von ihm, und er wusste es. Er hat aber auch nicht vor, diese Angewohnheit zu ändern. Es gab garantiert viele Leute, welche die Tiefkühlpizza in, oder auf ein Gerät warfen, welches die Pizza wärmen sollte.

Er stellte den Timer der Mikrowelle auf 10 Minuten und schaltete den Fernseher ein. Das Logo von Nightowl Broadcasting Services erschien auf dem TV-Gerät, gefolgt von den Worten: “Wir schauen zu, wie Sie uns zuschauen”.

Gerade lief eine Sendung, in der ein zweiköpfiger Junge in einem Glaskäfig schwebte. Gespannt schaute Harvey dem Programm zu und spekulierte darüber, was wohl als Nächstes passiert. Harvey war sogar so vertieft mit der Sendung, dass er das Piepen der Mikrowelle nicht bemerkte.

Erst als nach Stunden eine Werbepause kam, erinnerte sich Harvey an die Pizza in der Mikrowelle. Er eilte zur Mikrowelle und schaute die Pizza einen kurzen Moment, der sich wie einen langen Moment anfühlte, an. Dann bemerkte er es; Da war keine Pizza.

Hatte er sie unbewusst gegessen?

“Haben Sie kürzlich eine Pizza in die Mikrowelle geworfen, obwohl das werfen von Pizzen eine schlechte Angewohnheit ist? Haben Sie die Pizza aufgrund einer interessanten Sendung vergessen? Ist die Pizza aus Ihrer Mikrowelle verschwunden?”, erklang aus dem Fernseher. “Können Sie eine, oder alle dieser Fragen mit einem “Ja” beantworten?”. Harvey nickte, denn die Werbung im Fernseher, falls dies überhaupt eine Werbung war, sprach ihn irgendwie an.

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